Kinderfreundliche Mobilität muss mehr beachtet werden

In der aktuellen Debatte um Mobilität für Alle im Landtag betont Guido Henke, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE
Die aktuelle Unfallbilanz zeigt eine Steigerung der Zahlen bei Verletzten und Toten im Straßenverkehr. Besonders davon betroffen sind Menschen im Rad- und Fußverkehr, und hier besonders die Senior:innen. Was uns in dieser heutigen Debatte jedoch umtreibt, ist die Frage nach einer kinderfreundlichen Mobilität, mit allem was dazugehört: städtebaulich, stadtplanerisch, die Kostenfrage, ÖPNV-Angebot, Verkehrsinfrastruktur für kleine Radfahrer und Fußgänger etc. Und auch die Verkehrssicherheit. 2022 gab es einen zehnprozentigen Anstieg der Unfallzahlen bei Kindern.
Das Leben und die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sind im Straßenverkehr besonders gefährdet. Kinder haben mangelnde Erfahrung im Straßenverkehr, ein noch unausgeprägtes Risikobewusstsein, dazu kommt die autoorientierte Verkehrsplanung. Damit gehören Kinder zu den besonders gefährdeten Verkehrsteilnehmer:innen. Der hauptsächliche Fokus der Verkehrssicherheitsarbeit liegt bisher in der Verkehrserziehung und Mobilitätsbildung von Eltern und Kindern. Dabei wird jedoch häufig der Straßenverkehr in seinem Ist-Zustand als gegeben hingenommen und von Kindern und Eltern eine Anpassung des Verhaltens erwartet. Zukünftig braucht es viel mehr den Anspruch und die Anforderung, eine barrierefreie und kindgerechte Infrastruktur zu schaffen. 
Die Belange und Fähigkeiten von Kindern bei der Infrastrukturgestaltung muss zum Planungsgrundsatz werden: Durch straßenbauliche und verkehrsrechtliche Maßnahmen ist die Unfallgefahr für Kinder und Jugendliche zu minimieren. Das heißt konkret: abgetrennte Geh- und Fahrradwege sowie Geschwindigkeitsbegrenzungen bzw. Tempo 30 oder verkehrsberuhigte Bereiche im Umfeld von Kindergärten, Spielplätzen, Schulen und auch an den ausgewiesenen Schulwegen nach den Schulwegplänen unerlässlich. Geschwindigkeitsbegrenzungen sollen durch straßenbauliche Maßnahmen sowie den Einsatz stationärer Geschwindigkeitsüberwachung durchgesetzt werden. 
Sichthindernisse müssen entfernt und das Halten und Parken von Fahrzeugen baulich unterbunden werden. Halt- und Parkverstöße müssen gerade in den Morgenstunden zu Unterrichtsbeginn überwacht werden. Die Bedeutung von Schulweg- und Radschulwegplänen soll wesentlich stärker in den Fokus gerückt werden. Die Instandhaltung und Pflege von Rad- und Gehwegen inkl. Grünpflege und Winterdienst ist für eine sichere Verkehrsteilnahme von Rad fahrenden Kindern erforderlich. Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Planung von Bauvorhaben haben Kinder ein Recht auf Mitsprache und Beteiligung. Ihnen ist, angemessen und entsprechend des Alters und der Reife, dazu Gelegenheit  zu geben. Dabei sollte die Landesregierung die örtlichen Behörden mit Leitfäden, Praxisbeispielen und Fortbildungsangeboten unterstützen. 
Entsprechend muss der jetzt zu novellierende Landesentwicklungsplan qualifiziert werden, was die zukunftsfähige Mobilität – auch von Kindern - als zweiten raumordnerischen Schwerpunkt betrifft. In Sachen bezahlbaren ÖPNV ist das 49-Euro-Ticket ein guter erster Schritt, muss jedoch über 2023 dauerhaft vom Bund mindestens hälftig kofinanziert werden.
Im Verkehrsausschuss vergangene Woche wurde auch die Präventionskampagne für Senioren vorgestellt, gut wäre eine solche auch für Kinder und Jugendliche. Auch das Fernstraßengesetz muss geändert werden, damit auch bei Bundesstraßen begleitende Radwege finanziert werden können. Ein kinderfreundliches Verkehrssystem ist also Voraussetzung für selbstständige und selbstbestimmte Mobilität von jungen Menschen, das Straßenverkehrsrecht muss daraufhin angepasst werden, Verkehrsinfrastruktur dafür schaffen. Hier im Land müssen die Jugendverkehrsschulen finanziell sachgerecht unterstützt werden, damit die Arbeit gesichert werden kann. Verbesserungspotenzial besteht auch in einer institutionellen Förderung ab 2024 oder mittels deutlicher Erhöhung der Verkehrserziehung. Die Verkehrserziehung kann nicht hauptsächlich auf die Schultern des Ehrenamts abgelegt werden, hier bedarf es massiver Lehrerfortbildungs- und Ausbildungsangebote.
Das Aktionsbündnis „Kidical Mass“ war auch dieses Jahr wieder Anfang Mai, erst vor weniger Wochen, für ein kinderfreundliches Straßenverkehrsrecht unterwegs. Alle Kinder und Jugendlichen sollen sich sicher und selbstständig mit dem Fahrrad und zu Fuß bewegen können. Wir brauchen ein Straßenverkehrsrecht, bei dem die ungeschützten Verkehrsteilnehmer Vorfahrt haben – insbesondere die Kinder.“